Post by Werner SchmidtHallo Dietmar Hollenberg, Du schriebst am 30.03.2010 18:21
Post by Dietmar HollenbergPost by Werner SchmidtIMO falsch, da der Überholer bereits vor dem Einbiegevorgang
vorfahrtsberechtigt ist, der Abbieger aber wartepflichtig.
Dasselbe gilt für den Linksabbieger. Der *ist* auf der Straße und damit
bevorrechtigter Verkehr. Der Einbieger *macht* sich erst dadurch
unerlaubterweise zum Gegenverkehr, daß er ohne Rücksicht auf den Vorrang
so ziemlich aller anderen einbiegt. Dadurch wird weder sein Handeln
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das stimmt so ja schon mal nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass ausser
Frank da niemand ist, der vor ihm Vorrang hätte,
Das reicht ja. Vor einem Einbieger hat so ziemlich jeder außer
notlandenden Flugzeugen und vom Himmel fallenden Meteoriten Vorrang,
selbst Fußgänger auf dem Gehweg oder welche, die die Straße überqueren.
Und natürlich auch Linksabbieger. Die befinden sich nämlich im Gegensatz
zum Einbieger auf der Straße.
Post by Werner SchmidtHm. Er ist auf der Hauptstraße *bevor* oder *während* Frank abbiegt.
Er müßte dort sein, *bevor* Frank einbiegt. Dann kann es logischerweise
ebenfalls keine Kollision geben.
Wenn Frank bereits den Abbiegevorgang eingeleitet hat, ist das Einbiegen
ganz klar ein Verstoß gegen §10. Umgekehrt verstößt Frank nicht gegen §9
(3), denn vor dem Einbiegen gibt es keinen Gegenverkehr, auch dann
nicht, wenn der Abbiegevorgang wegen der Straßenbreite und der kurzen
Strecke vom Einbiegen bis zum Kollisionspunkt länger dauert.
Post by Werner Schmidt1. Der Einbieger fährt als erster los und dies ist für Frank eindeutig
erkennbar. Dann hat Frank ganz klar zu warten, denn dann ist der andere
bereits Gegenverkehr für ihn geworden.
Akzeptiert. Selbst wenn es eine Vorfahrtverletzung wäre, dürfte Frank
seine Vorfahrt nicht erzwingen und reinhalten. Grundsätzlich ändert das
aber auch nichts daran, daß der Einbieger "sich dabei so zu verhalten
hat, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist",
und Frank ist ohne Diskussion ein anderer Verkehrsteilnehmer. Auch wenn
Frank reinhalten und die Kollision in Kauf nehmen würde, dürfte er nicht
die alleinige Schuld bekommen, wenn er es nicht nachweislich vorsätzlich
macht.
Post by Werner Schmidt3. - und jetzt wird es interessant - es fahren beide zeitgleich (oder
zumindest sehr zeitnah nacheinander) los und es kommt zur Kollision. Wer
hat nun Schuld, wer war vorfahrtsberechtigt, wer wartepflichtig?
Da gibt es für mich keine Diskussion: Der Einbieger. §10 auferlegt ihm
ohne jede Einschränkung die Beachtung *aller* anderen
Verkehrsteilnehmer. Er darf einfach nicht losfahren, wenn er dadurch
*irgendjemandem* in die Quere kommt.
§9 (3) dagegen spricht nur von entgegenkommenden Fahrzeugen (und den
Ausnahmen, die hier belanglos sind). Ein Einbieger ist aber kein
entgegenkommendes Fahrzeug, auch dann nicht, wenn er §10 mißachtet. Er
ist frühestens dann Gegenverkehr, wenn er sich in den Verkehrsfluß
eingeordnet hat, und das geht auf 3 oder 6m nicht. Dafür sind je nach
Straßen- und Fahrzeugtyp 15-100m (30-Zone bis Landstraße, Motorrad bis
LKW) erforderlich, und diese Strecke gibt einem Linksabbieger
ausreichend Zeit, den Gegenverkehr zu erkennen und zu beachten.
Post by Werner SchmidtAls Verkehrsrichter würde ich Schuld und Haftung wohl 50:50 auf beide
Unfallgegner verteilen
Ich nicht. Ich würde Frank überhaupt nur eine Teilschuld geben, wenn er
nachweislich *vor* Beginn seines Abbiegevorgangs erkennen konnte, daß
der andere seine Vorfahrt mißachten würde. Die Sorgfaltspflicht beim
Einfahren ist deutlich höher als die beim Abbiegen. Für eine
Schuldverteilung 70:30 (Einbieger:Frank) müßte schon halber Vorsatz bei
Frank erkennbar sein.
Post by Werner SchmidtWer jetzt auf den
Stempel tritt und versucht, durch Schnelligkeit die Situation für sich
zu entscheiden riskiert (und auch das ist voraussehbar!), dass der
andere genau das gleiche ebenfalls versucht.
Zunächst mal gilt der Vertrauensgrundsatz, daß andere die Vorschriften
beachten. §10 läßt keine Diskussion darüber zu, wer alles Vorrang vor
einem Einbieger oder Anfahrer hat: Jeder andere Verkehrsteilnehmer, ohne
Ausnahme. Wenn man ständig davon ausgehen müßte, daß andere
Fahrzeugführer die Vorschriften mißachten, könnte sich niemand mehr
bewegen, weil jederzeit jemand anders unerlaubterweise einfahren,
anfahren oder die Spur wechseln kann. Die Vorschriften sind dazu da,
kollisionsfreie Bewegung auch dann zu ermöglichen, wenn man nicht bis
zum Horizont das einzige Fahrzeug bewegt.
Davon muß man nur dann abweichen, wenn es konkrete Anhaltspunkte für ein
kommendes Fehlverhalten gibt, z.B. wenn man erkennt, daß ein an sich
Wartepflichtiger nicht verzögert. Bei einem stehenden Fahrzeug muß man
aber nicht annehmen, daß es unerlaubt losfährt, sonst könnte man keine
Ampelkreuzung mehr zügig überqueren oder auf der Hauptstraße an
Einmündungen vorbeifahren.
Es ist keine Pattsituation. Im ersten Ansatz ist die Situation völlig
klar. Unklar kann sie nur durch einen eindeutigen Regelverstoß werden.
Und dieser Regelverstoß begründet eine entsprechende Schuldverteilung
bei einem Treffen.
Post by Werner SchmidtWer übrigens *erkennt* (siehe auch
der Thread "Das gibt's doch gar nicht" von Masko) dass der andere
*nicht* hinreichend umsichtig ist sollte sich in dieser Situation ganz
besonders zurückhalten (was Frank denn ja auch getan und die Situation
damit bereinigt hat).
Natürlich. Aber es kann und darf nicht sein, daß derjenige, der
grundsätzlich im Recht ist, aber nicht mit dem Fehlverhalten des anderen
gerechnet hat, mehr oder gleich viel Schuld bekommt als/wie derjenige,
der die Regeln *überhaupt nicht* beachtet hat und noch viel weniger
aufmerksam und zurückhaltend war. Wenn Blindheit, Blödheit und
vorsätzliche Ignoranz Vorrang vor geltenden Vorschriften bekommen,
können wir die Vorschriften gleich in die Tonne treten. Wer den Mist
baut, muß *deutlich* mehr dafür haften als derjenige, der nicht
gerechnet hat, daß der andere Mist baut. Deshalb fände ich deine 50:50
völlig unangemessen. 100:0 oder schlimmstenfalls 90:10 wäre das höchste
der Gefühle. Für die 10 bei Frank müßte aber irgendeine Äußerung von ihm
Grund zu der Annahme geben, daß er erwarten konnte, daß der andere seine
Vorfahrt mißachtet. Wenn er sich genau so dumm hinstellt wie vermutlich
der Mercedesfahrer (Nix gsehn, nix ghört, nix gwußt; i bin links
abgebogen, und als i losgfahrn bin, war do ka Gegenverkehr), gibt es
keinen Grund, ihn für sein grundsätzlich vorschriftsmäßiges Verhalten zu
bestrafen.
Tschüß
Dietmar
--
Lesbar quoten kann so einfach sein:
http://www.learn.to/quote
http://www.volker-gringmuth.de/usenet/zitier.htm